LEAN-Krankenhaus: Prozess- und Qualitätsprobleme zeitnah, kostensparend und effektiv erkennen, melden und lösen

Andon ist nicht nur ein Signal

Andon ist ein Lichtsignal, das in den Toyota-Fabriken durch eine Reißleine aktiviert wird. Dabei kann jeder Mitarbeiter dieses Signal setzen sobald er ein Prozess- oder Qualitätsproblem festgestellt hat. Daraufhin muss sofort der zuständige Vorarbeiter erscheinen und entweder das Problem lösen oder den ganzen Fließband stoppen und weitere Maßnahmen einleiten.

Damit handelt es sich beim Andon um ein System, das es möglich macht akute Probleme schnellstmöglich vor Ort zu identifizieren und zu lösen.

Lichtsignale im Krankenhaus

Obwohl wir in den Krankenhäusern keine Autos bauen und trotz knapp getakteter Arbeit ein Fließband-Denken ablehnen, setzen auch wir seit Jahren Lichtsignale ein. So sind manche OP-Schleusen mit roten und grünen Lichtern ausgestattet um den Patientenfluss steuern zu können. Diese Signalleuchten bedeuten so viel wie „frei“ oder „besetzt“ und gelten für die Transportdienstmitarbeiter, die ihre Patienten abliefern oder abholen sollen.

Was haben die Leuchten mit Problemlösung zu tun?

Auf den ersten Blick tatsächlich nicht viel.

Die Patiententransporte sind meistens nicht auf Minute genau planbar. Die OP- und Wechselzeiten sind nicht immer zuverlässig vorhersehbar. Viele organisatorische „Schwachstellen“ beeinflussen ungünstig die perioperativen Prozesse. Das ist die eine Seite der Krankenhausroutine.

Auf der anderen Seite muss der Behandlungsprozess ununterbrochen fließen. Das führt zu einer einfachen, aber verschwenderischen Lösung: an den Knotenpunkten wie OP-Schleuse werden feste Mitarbeiter eingesetzt. Diese Mitarbeiter sind immer vor Ort und immer bereit die Patienten „abzufertigen“.

Dadurch entfällt die Notwendigkeit die Leuchtsignale tatsächlich einzusetzen. Sie werden einfach nicht mehr genutzt… Bis zu einem Zeitpunkt, an dem die Arbeitsverdichtung in den Spitzenzeiten die Gedanken an die lokale Verwaltung der Patientenströme zum Leben ruft.

Lokale Verwaltung von Patientenströmen

Um die Mitarbeiter an der Schleuse zu entlasten kann man wieder die Leuchtsignale einsetzen um eine vernünftige Überprüfung der OP-Unterlagen und stressfreie Lagerung von Patienten auf dem OP-Tisch sowie problemloses „Parken“ des Patientenbetts zu gewährleisten.

Und genau ab diesem Zeitpunkt wird es stressig: die Patienten stehen (genauer gesagt – liegen) Schlange vor der OP-Schleuse, Operateure toben, Anästhesisten versuchen ihre Patienten an der Schleuse-Mitarbeitern vorbei zu fahren um die kontrollierte Wechselzeiten zu verkürzen… Chaos wird perfekt. Nun stellt sich nach der Frage „Warum funktioniert das nicht wie gewünscht?“ eine weitere Frage: „Wie erkenne, melde und löse ich die entstehenden Probleme ohne den ganzen Ablauf zum Stillstand zu bringen?“.

Signale ohne Regeln bringen nichts

Wir haben unser Pferd (wieder mal) von hinten aufgezäumt.

Um ein Signalsystem effektiv zu implementieren muss zuerst der gesamte Prozess analysieren werden um die Erstreaktion sowie die Eskalationsszenarien für die beteiligten Mitarbeiter zu entwickeln. Was mache ich, wenn die Anästhesie-Aufklärung nicht vorliegt, die Seite nicht markiert ist, abnehmbare Zähne noch drin sind, Schmuck hängt…

Klare Regeln müssen aufgestellt werden. Erst wenn sie allen Beteiligten bekannt sind (oder besser – mit allen Beteiligten vereinbart), kann man die sinnvollen Kontrollpunkte im Prozess festlegen und mögliche Szenarien ausarbeiten.

Andon ist ein internes Signal

So gesehen wäre eine Leuchte eher auf der anderen Seite der Schleuse erforderlich. Wird z.B. ein Patient mit mangelhafter oder fehlender OP-Aufklärung eingeliefert, müssen die Mitarbeiter zuerst selbständig versuchen das Problem zu lösen (Anruf auf Station, Rücksprache mit Operateur usw.). Diese Schritte sollen am Besten in Form eines Standards definiert werden.

Falls innerhalb des vorgegebenen Zeitraums (z.B. 5 Minuten) keine Problemlösung erzielt werden konnte, wird eine „Reißleine“ betätigt und somit eine interne „rote Leuchte“ eingeschaltet. Sie gilt als Signal für die OP-Leitung oder deren Vertreter, das an der Schleuse gerade ein akutes Problem vorliegt und dadurch der gesamte Prozess behindert wird. Das bedeutet im Detail:

  • kein Einschleusen mehr möglich
  • OP-Team wartet
  • der Raum ist blockiert
  • usw.

In diesem Fall muss der Verantwortlicher (die Verantwortliche) persönlich kommen und das Problem vor Ort schnellstmöglich beheben. Unter anderem schützt das die Mitarbeiter der Pflege, die an der Schleuse eingesetzt werden, von unnötigen und oft emotional geladenen Diskussionen.

Kurz formuliert: ohne klare Regeln machen Signalsysteme keinen Sinn.

Andon verlegt die Problemerkennung und Erstanalyse an das scharfe Prozessende und gibt jedem Mitarbeiter die Möglichkeit sich mit seinem Wissen und seinen Fähigkeiten an der Prozessverbesserung zu beteiligen.