Monat: Mai 2019

Just In Time (JIT)

Prozesse im Fluss halten

Just In Time ist ein Organisationsprinzip, nach dem das richtige Teil, in der richtigen Qualität, zur richtigen Zeit, in der richtigen Menge und am richtigen Ort ankommt. Deswegen wird dieser Prinzip auch 5R-Prinzip genannt.

Es geht nicht nur um die Logistik – es handelt sich um Prozesse, bzw. um die gesamte Prozesslandschaft. Mit allen Schnittstellen, Schaltpunkten, Abzweigungen usw.

„Just In Time“ bedeutet Ausrichtung aller Abläufe auf den Kundenbedarf. Darauf wird die gesamte Westschöpfungskette ausgerichtet.

Der Kunde wird zum echten König.

Wurden z.B. 100 weiße und 200 gelbe Autos bestellt, macht es keinen Sinn 200 weiße und 130 gelbe Autos zu produzieren. In diesem Fall müssen die nicht bestellten weißen Autos gelagert und evtl. später zu einem Aktionspreis verkauft werden. Auf der anderen Seite, die Besteller von gelben Karossen, die kein Auto gekriegt haben, werden Ihnen die Höhle heiß machen…

JIT in der Produktion

Was hat das ganze mit einem Krankenhaus zu tun? Bei uns wird nichts vorbestellt und der Patient stand immer schon im Vordergrund ärztlichen Handels und pflegerischer Aktivitäten.

Ob es immer so ist, diskutieren wir später. Jetzt ein bisschen Theorie.

Das gesamte Konstrukt von JIT ruht auf nur 3 Säulen:

  1. Taktzeit
  2. Kontinuierlicher Fluss
  3. Pull System

Unter Taktzeit wird die Zeit verstanden, in der eine festgelegte Menge eines Produktes hergestellt wird. Dieser Parameter wird benutzt um die unterschiedlich schnelle Produktionsschritte miteinander zu verbinden bzw. auszutakten. Ist eine Bohrmaschine in der Lage 2 Teile pro Minute zu produzieren aber die darauf folgende Schweißanlage nur 1 Teil pro Minute fertigen kann, wird eine nicht ausgetaktete Produktion zu einem Überschuss gebohrter, aber nicht geschweißter Teile vor der Schweißanlage führen.

Kontinuierlicher Fluss bedeutet folgendes:

  • eine Produktion von kleinen Mengen damit der gesamte Prozess flexibler gestaltet werden kann
  • abgestimmte Reihenfolge einzelner Produktionsschritte, was die Prozess- und somit die Ergebnisstabilität gewährleistet
  • One-Piece-Flow – Ausrichtung des gesamten Prozesses auf die Einzelstückproduktion mit dem Ziel die Lagerkapazitäten auf das nötigste Minimum zu reduzieren. Dadurch wird der gesamte Verwaltungsaufwand und entsprechende Prozessstörungen eliminiert.

Somit verschwindet die Verschwendung.

Pull-System steht als Gegensatz zum Push-System. Hier handelt es sich um den Einfluss einzelner Prozessschritte auf den Gesamtablauf. Wenn die fertigen Teile in den nächsten Prozessschritt nahtlos geschickt werden, spricht man von einem Push-System. In diesem Fall muss der Mitarbeiter oder die Maschine diese „reingepresste“ Menge bewältigen. Somit wird der nächste Prozessschritt durch den vorherigen getaktet.

In einem Pull-System „zieht“ der nächste Schritt die Produkte aus dem vorherigen Schritt nur dann, wenn er in der Lage ist die zu verarbeiten. Das Tempo wird dabei durch den Kundenbedarf vorgegeben.

JIT im Krankenhaus

Viele meinen, dass Krankenhäuser in der Lage sind eine beliebige Menge von Patienten zu jeder Zeit mit entsprechender Qualität behandeln zu können. Daher kann alleine die Erwähnung des Begriffs „Taktzeit“ zu unvorhersehbaren Reaktionen der Mediziner führen…

Die Triage, Traumanetzwerke, Verlegungen in die Einrichtungen der anderen Versorgungsstufe, Abmeldungen bei der Leitstelle widerlegen aber diese These.

Tatsache ist, dass eine gute Versorgung nur im Gesundheitssystem möglich ist. Das heißt: jedes einzelne Haus muss wissen wie es aus dem gesamten Patientenaufkommen die richtigen Patienten selektiert, die zur richtigen Zeit, auf dem richtigen Niveau und in der richtigen Fachabteilung behandelt werden.

Und obwohl die Akutkrankenhäuser meistens fremd-getaktet sind, werden Kapazitäten jedes Krankenhauses auf eine bestimmte Patientenmenge ausgerichtet.

Ganz wichtig ist zu unterstreichen, dass JIT bei elektiven Patienten und Notfallpatienten unterschiedlich umgesetzt wird. Die Prinzipien bleiben jedoch gleich!

Man könnte meinen, dass z.B. eine „Los-Fertigung“ für Krankenhäuser fremd ist und im Behandlungsprozess immer ein One-Piece-Flow stattfindet. Wenn man sich aber mal in die OP-Schleuse hinstellen würde, dann würde er bald merken wie die peripheren Stationen Ihre Patienten zum festgelegten Zeitpunkt losschicken (Push) und wie diese Patienten vor der OP-Schleuse warten müssen, weil bei 8 OP-Sälle die OP-Schleuse nur 2 Patienten gleichzeitig abfertigen kann…

Und noch schlimmer wird es, wenn die Schleuse-Mitarbeiter mal krankheitsbedingt ausfallen und somit Einschleusen länger dauert als üblich, da sich dadurch die Taktzeit der Schleuse ändert.

Somit kommen wir dem Thema ganz nah

Schauen Sie die beiden Fotos am Anfang dieses Beitrags an. Man könnte meinen, dass es hier um eine große Operation handelt. Viele Menschen im Grün in einem Saal. In der Realität handelt es sich um eine Arthroskopie, die (mit Stoppuhr gemessen) an diesem Tag nach 8 Minuten Schnitt-Naht-Zeit fertig war.

Man hat nur versucht durch eine Los-Fertigung die nicht getaktete Patienteneinlieferung in den OP zu kompensieren.

Versuchen wir den Gedankengang nachzuvollziehen

  • als erster Eingriff ist eine ambulante Arthroskopie geplant
  • eine Arthroskopie dauert in der Regel 10-20 Minuten (Schnitt-Naht)
  • als nächstes kommt ein größerer Eingriff (Knieprothese)
  • erfahrungsgemäß ist der Haustransport wie Deutsche Bahn – unzuverlässig
  • um die Warte- und Wechselzeiten zu vermeiden werden die beiden Patienten fast gleichzeitig einbestellt und eingeschleust
  • und genau hier fangen die Probleme der Los-Fertigung an:

Da die Prozesse nicht abgestimmt sind, muss der zweite Patient zwischengeparkt (ein Zwischenlager) werden. Er wird im OP-Einleitungsraum abgestellt. Um ihn rechtzeitig vorzubereiten (8-Minuten Arthroskopie), wird ein zusätzlicher Anästhesist aus einem anderen Saal geholt. Da die erste OP nur 8 Minuten dauert, kommt bereits die für die zweite OP eingeteilte Assistenz. Dabei steht der Fuß des OP-Tisches mitten im Saal uns stört alle dabei den zweiten Eingriff vorzubereiten…

Für die Patienten sind die Folgen aber noch verehrender: der erste Patient hat Säulenzeit von 1 Stunde (8 Minuten Schnitt-Naht !!!) und der zweite verbringt insgesamt 3 Stunden im OP auf einem Tisch bei Schnitt-Naht knapp über 1 Stunde.

Wäre hier JIT-Prinzip umgesetzt, könnte man den Ablauf so vorstellen:

  • der erste Patient wird einbestellt, vorbereitet und gelagert
  • erste Operation wir begonnen und erst am Ende des ersten Eingriffs wird der zweite Patient einbestellt (Cave: Zeit für Entlagerung, Ausschleusen und OP-Saal-Reinigung mitberechnen!)
  • Der zweite Patient kommt Just In Time um vorbereitet und danach in den OP-Saal gefahren zu werden….

Das wären der kontinuierlicher Fluss und One-Piece-Flow

Fazit

Gut getaktete Prozesse, One-Piece-Flow und „Pull statt Push“ haben nicht nur mit industrieller Produktion zu tun. Beim Schockraumalarm muss jeder wissen wann und wo er erscheinen und welchen Beitrag er oder sie zu Notfallversorgung leisten muss. Es handelt sich nämlich um ein nicht kontrollierbares Push-System. Daher muss man sich gut vorbereiten um schneller und effektiver reagieren zu können. Dieses Vorgehen hat sich in den „fremd-getakteten“ Krankenhäusern fest etabliert.

Dieses Push-Modell wird aber auch gerne auf die andere Abläufe im Krankenhaus übertragen. Viele elektive Patienten werden gleichzeitig einbestellt, die stationäre Aufnahmen werden in der Ambulanz mit Notfallversorgung vermischt, Patienten tauchen auf den Stationen unangemeldet auf… Das sind nur die einzelnen Beispiele nicht getakteter Prozesse.

Wenn wir aber die Sicht auf Krankenhaus vom „ein Unternehmen“ zum „ein Unternehmen, das aus mehreren Einzelunternehmen besteht“ wechseln, werden wir feststellen, dass ein Push-System nur in wenigen Einzelunternehmen unvermeidbar ist. Das Betrifft im Grunde genommen nur die äußeren Posten: die Notaufnahme und evtl. die Intensivstation. Die restlichen Prozesse können durchaus im Sinne eines Pull-Systems ausgerichtet werden.

No Comments AllgemeinLEAN-Glossar für Mediziner

5-S-Methode


Ordnung muss sein, aber was bedeutet „Ordnung“?

Es ist ja nicht so, dass in den Krankenhäusern keine Ordnung herrscht. Jeder Wahnsinn hat nämlich seine innere Logik.

Chaos-Haus

Vor vielen Jahren habe ich in einem neuen Krankenhaus angefangen. Eine Kollegin hat mich damals nach den ersten paar Tagen mit einem kurzen Satz getröstet: „keine Angst, Du wirst bald verstehen wie unser Chaos funktioniert“. Und es war tatsächlich so geschehen.

Nun kann ich fast regungslos täglich solche Bilder wie oben sehen. Ich verstehe auch die innere Logik von Aktenbergen, nicht abgenommenen Labors und falsch beklebten Konsilscheinen. Das Einzige was mich stört ist der fehlende Zusammenhang zwischen dieser Ordnung und tatsächlichen Prozessen.

Die Unordnung (zer)stört Prozesse

Auf dem obigen Bild kann man zwei Symbole erkennen: an der Wand hängt eine Notarztjacke und in der Mitte des Tisches steht ein Energy Drink. Mögliche Deutung: keine Zeit und keine Kraft für diesen Kram(pf).

Bei nüchterner Betrachtung kann man die folgenden „Verbesserungsvorschläge“ formulieren

  • Tagesgeschäfte wie Sono-Befunde und Konsile gehören nicht auf einen Tisch mit den Archivmappen
  • Konsile und Sono-Befunde müssen sortiert werden
  • Um zu gewährleisten, dass die Schreibkräfte Ihre Diktate auch richtig zuordnen können, müssen die dazugehörigen Dokumente indiziert bzw. nummeriert werden

Bestände-Verwaltung ist zeitintensiv

Man sieht hier, im Grunde genommen, ein klassisches LEAN-Problem: Bestände.

Sie sind immer ein Hinweis auf Prozessstörungen. Und das größte Problem von Beständen ist der ZEIT- und PERSONALAUFWAND. Die Bestände müssen nämlich verwaltet werden.

Anders ausgedrückt, der Zeitaufwand wird immer größer, wenn die Prozesse nicht im Fluss sind. Zuerst kommt es zu kleineren Störungen. Danach schalten sich viele Kompensationsmechanismen an. Und erst dann werden die Berge nicht erledigter Arbeit immer größer.

Wofür stehen die 5 „S“

Um diese Verschwendungen zu eliminieren wurde die 5S-Methode entwickelt. Sie wird als Grundlage der kontinuierlichen Verbesserung angesehen. Dabei steht die Abkürzung ‚5 S‘ für die fünf Schritte, in denen Ordnung am Arbeitsplatz erreicht werden kann:

1. Sortieren, jap. Seiri (Ordnung schaffen)

2. Sichtbare Ordnung einhalten, jap. Seiton (Ordnungsliebe)

3. Sauber halten, jap. Seiso (Sauberkeit)

4. Standardisieren, jap. Seiketsu (persönlicher Ordnungssinn)

5. Standards einhalten und verbessern, jap. Shitsuke (Disziplin)

Ein ordentlicher Arbeitsplatz spart Zeit und erhöht die Effizienz. So können z.B. die Patientenakten die Reihe nach abgearbeitet werden ohne jedes mal Zeit für die Sortierung oder Suche zu verschwenden.

So ein Vorgehen ermöglicht außerdem ein visuelles Management. Werden z.B. die Akten in die namentlich markierte Ablagefächer gelegt, kann ohne einen großen Aufwand die Belastung und die Leistung jeden einzelnen Assistenzarztes beurteilt werden.

Viel wichtiger ist jedoch die Visualisierung von Prozessproblemen.

Eine Analyse gehorteter Akten kann genau zeigen wo die Probleme liegen. Es ist fast unwahrscheinlich, dass in diesen Stapeln die Privatpatienten des Chefs zu finden sind…

5-S im Krankenhaus

Diese Methode ist eine der bekanntesten Methoden des LEAN-Managements. Entwickelt wurde sie für die Arbeitsplätze in den Fabriken, wo z.B. Eisenspänen auf der Arbeitsplatte nicht nur zu einer Arbeitsverzögerung sondern auch zu ernsthaften Unfällen führen können. Außerdem kann die Suche nach einem passenden Instrument zu erheblichen Ablaufstörungen und somit zu echten Geldverlusten führen.

Versteckte Ressourcen

Im Krankenhaus sieht die Situation nicht viel anders aus. Mit dem einzigen Unterschied – hier leiden nicht nur die Qualität oder Erlöse. Hier leiden die Patienten.

Wir bauen nämlich keine Autos.

Über wachsende Bürokratisierung der Medizin zu schimpfen gehört zum Standardprogramm jeder Abteilung. Das Thema Nummer zwei ist das Personalmangel. Am Platz drei landet die „katastrophale Organisation in unserem Laden“.

Viel weniger wird über verschwendete Ressourcen gesprochen.

Arbeitsplätze im Krankenhaus

Die Visiten werden ständig unterbrochen, da auf dem Verbandswagen Instrumente oder Verbandsmaterialien fehlen oder weil der Mülleimer nicht rechtzeitig geleert wurde.

Ein weiteres Beispiel sind die improvisierten und festen Zwischenlager. Um die drohenden Mängel zu vermeiden, werden die häufigsten Instrumente und Materialien in einem kleinen Schrank gehortet. Ohne klare Ordnung, ohne Bezeichnungen an den Körben und ohne einen klaren Plan für die Bestückung und Überprüfung des Mindesthaltbarkeitsdatums…

In der Folge werden z.B. im OP-Einleitungsraum ständig die passenden Kathetersysteme und Nadeln gesucht. Wird ein neuer Mundschutz gebraucht, muss der Springer unter Umständen in den anderen OP-Saal laufen.

Wie kann 5-S im Krankenhaus umgesetzt werden

Die 5-S-System-Prinzipien sind selbsterklärend und können relativ einfach in die Praxis eingeführt werden. Statt Sachen zusammen zu suchen besteht dann die Arbeit idealerweise nur aus wertschöpfenden Arbeitsschritten :

Sortieren. Z.B. die Viggos werden nach Farbe und Größe getrennt aufbewahrt, ebenso die Mandrins. Die Spritzen ebenso. Für die häufigsten Medikamente auf Station gibt z.B. einen separaten Korb, in dem die Medikamente nach dem Namen sortiert sind.

Sichtbare Ordnung einhalten. diese Prinzip ist schwieriger umzusetzen. Man stolpert über die Unternehmenskultur. In dieser ist z.B. fest verankert ist, dass die Aufbereitung von Verbandswägen die Aufgabe vom Pflegepersonal ist. Damit werden die benutzen Instrumente und Materialien einfach wild durcheinander auf die Arbeitsfläche geworfen.

Sauber halten. Die Sauberkeit im Krankenhaus bedarf keiner weiteren Erklärung. Es geht aber um eine andere „Sauberkeit“. Oft ragen die verwendeten Blutabnahmesets aus einem überfüllten gelben Behälter raus… Hier besteht aber genauso wie in der Industrie eine Verletzungsgefahr mit Folgen.

Standardisieren. dieser Begriff wird oft missverstanden. Viele Mediziner würden es sogar zum Unwort des Jahrzehntes erklären. Bei der Standardisierung geht es jedoch im Vordergrund nicht um die Nivellierung persönlicher Unterschiede, sondern um das Schaffen einer gemeinsamen Basis für die Zusammenarbeit. Ein visueller Standard für die Aufbereitung von Wandvorrichtungen kann sehr viel Ärger und Missverständnisse sparen. Unter einer Voraussetzung: bei der Standardisierung müssen Interessen aller beteiligen Mitarbeitern berücksichtigt werden. Lassen Sie ein Standard aus der Sicht des „Endnutzers“ erstellen, laufen sie die Gefahr alle Probleme auf die vorherigen Schritte zu verschieben. Das führt unter Umständen zu einer ständigen offenen Konfrontation und/oder stillem Widerstand.

Standards einhalten und verbessern. Aus der Sicht des Risikomanagements unterscheidet man Verstöße, unsichere Handlungen und Fehler. Fehler kann jedem Mitarbeiter unterlaufen. Eine unsichere Handlung ist eher für die unerfahrenen Mitarbeiter charakteristisch. Die Verstöße sind für die erfahrene Mitarbeiter typisch. Das häufigste Motto dabei „haben wir schon immer so gemacht“.

Das sind eben die Erfahrenen, die nicht nur zum Einhalten von Standards, sondern auch für derer Weiterentwicklung gewonnen werden müssen. Ein Standard ist nichts anderes als zu Papier gebrachte Best-Practice-Routine. Wie man bei Toyota sagt : „die Standards sind dazu da um sie zu verändern“.

Und das ist der Hauptunterschied zwischen westlicher und östlicher Denkweise

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