Corona-Hysterie
Das Coronavirus macht gerade die ganze Welt verrückt. Es wird intensiv nach den Ursachen und möglichen Verantwortlichen gesucht. Es gibt schon Verschwörungstheorien und Hamsterkäufe. Die Fakten erreichen in den Medien vieler Länder das mehrfache ihrer tatsächlichen Größe.
Im gleichen Zeitraum werden ca. 130 Menschen Corona-krank und ca. 130 Menschen Influenza-tot.
Worüber wird gesprochen? Was wird als Killer-Virus bezeichnet? Wovon haben die Menschen Angst? Wegen was werden Flughäfen und Grenzen dicht gemacht?
Wir haben verlernt mit Fakten umzugehen, da die scheinbar sichere Welt und flächendeckende medizinische Versorgung uns das Gefühl der absoluten Sicherheit vermitteln versuchen.
Das ist aber ein anderes Thema.
Lieferengpässe für Medikamente
Was dem Gesundheitswesen zunehmend Kopfschmerzen bereitet sind die Lieferenengpässe. In der ersten Linie geht es um die Erzeugnisse der Pharmaindustrie. „Plötzlich“ haben wir feststellen müssen, dass die meisten Grundstoffe für die wichtigsten Medikamente in China produziert werden.
Das betrifft nicht nur heimische Produktion, sondern den Hauptkonkurrenten von China – Indien. Das Land kauft nämlich die Grundstoffe für ihre Medikamente auch in China und sperrt kurzerhand die Exporte angesichts eines möglichen Corona-Ausbruchs im eigenen Land…
Sehr schnell wird klar – Globalisierung hat auch ihre Kehrseiten. Die Jagd nach niedrigeren Produktionskosten und größeren Gewinnen führte zu einer Spezialisierung einzelner Länder. Die Prozesse sind verschlankt worden. Dadurch stieg die Effizienz. Gleichzeitig aber stieg die Abhängigkeit einzelner Spieler voneinander…
Warum ist es günstig in China zu produzieren? Weil die Gehälter niedriger und Umweltauflagen weniger streng sind. Außerdem wird das Ganze „drumherum“ etwas lockerer gehandhabt als in Europa.
Und Gesundheitswesen muss auf jeden Preis bezahlbar bleiben.
Nun sehen wir diesen Preis.
Was hat das mit LEAN zu tun?
Aktuell habe ich in einem Fachartikel die Aussage eines Politikers gelesen: der Fehler unter anderem war sich auf Just-In-Time-Produktion und Reduktion von Lagerbestände zu einigen.
Und hier leuchtete bei mir die rote Lampe – „Stop!!!“
Wir haben uns abhängig gemacht, weil wir keine Bestände haben wollten und uns auf eine „fließende“ Produktion eingelassen haben?
Das klingt irgendwie verkehrt.
Ich hatte das Gefühl, dass man versucht sein Nichtkönnen zu schwimmen auf einen falschen Schnitt des Badeanzugs zu schieben.
Was ist Just In Time (JIT)?
JIT bedeutet eine effiziente Produktion, die auf Kundenanforderungen ausgerichtet ist. Das Pull-Prinzip und die Auftragssteuerung gehören zum JIT wie Schnürsenkel zum Schuh. Um die Lagerbestände zu reduzieren und eine fließende Produktion auf Bestellung zu ermöglichen sind die folgenden Punkte essentiell:
- man muss wissen welchen maximalen Output seine Produktionsstätte erzeugen kann
- man muss wissen bei welchem minimalem Output die Produktion noch rentabel bleibt
- man muss ermitteln wie lange ein Produktionszyklus dauert bzw. was die Durchlaufzeit ist
- man muss wissen was Kunden bestellt haben
- man muss wissen bis wann die Bestellung fertig sein muss und evtl. Kundenverhalten steuern (Rabbate, Sonderangebote usw.)
- man muss die Logistik ausbauen, da viel mehr Transporte benötigt werden
- man muss Maßnahmen implementieren um die Termintreue und Qualitätsniveau in den Prozessen sicherzustellen
Wo steckt hier der Fehler?
LEAN-Management ist kein Zauberstab. Jede Methode und jedes Tool haben sowohl Vor- als auch Nachteile. Es wird immer betont, dass Herzstück von LEAN nicht die einzelnen Methoden, sondern das System an sich ist.
So sind die bekannten Nachteile von JIT:
- Zunehmender Transportbedarf
- Lager bei den Zulieferern werden benötigt um die Schwankungen zu kompensieren
- Single Sourcing
- Konstanter und lückenloser Informationsaustausch erforderlich
- für die Lieferanten ensteht die Abhängigkeit vom Auftraggeber und umgekehrt
- Konventionalstrafen und Qualitätskontrolle sind notwendig
- Krisenanfälligkeit !!!
Um auf die echte Ursache zu kommen machen wir eine kurze Analyse:
Zunehmender Transportbedarf
Die ganze Wertschöpfungskette wird in LEAN von hinten nach vorne aufgebaut – vom Kundenauftrag bis hin zu Grundstoffen. In der Produktionsstätte werden die Lager abgebaut um Verschwendung in Form von Beständen zu eliminieren. Rüstzeiten und Durchlaufzeit werden gekürzt. Die benötigten Materialien, Bauteile, Stoffe usw. werden direkt in die Produktionshalle geliefert und sofort verbraucht. Eines der wichtigsten Prinzipien im LEAN-Management – One Peace Flow – erfordert eine terminierte Lieferungen in kleinen Los-Mengen. Dadurch werden die Transporte häufiger und kleiner.
Lager bei den Zulieferern werden benötigt
Es heißt aber noch langer nicht, dass es gar keine Lager gibt. Die Schwankungen bestehen nicht nur seitens Kundenbestellungen bzw. Marktanforderungen. Engpässe und Produktionskapazitäten in allen anderen Prozessschritten können massive Störungen in der gesamten Kette hervorrufen. Aus diesem Grund werden die Zulieferer so fest eingebunden, dass sie oft gezwungen sind Sicherheitslager aufzubauen um die möglichen Schwankungen kompensieren zu können.
Single Sourcing
Die effizientesten Prozesse sind linear. Jede Wenn/Dann-Verzweigung bringt Verzögerungen und Möglichkeit einer Fehlentscheidung. Hier kann der bekannter Satz von Henry Ford als gutes Beispiel dienen: „Sie können einen Ford in jeder Farbe haben – Hauptsache er ist schwarz“.
Diese Unifizierung ist die wichtigste Voraussetzung für die hohe Effizienz. Daher können die industriellen Effizienz-Standards in Medizin nur in solchen standardisierbaren Bereichen wie z.B. elektive Orthopädie angewandt werden. Die konsequenten Bestrebungen der Politik solche Qualitätsansprüche im stationären Bereich umzusetzen führen einerseits zu einer hohen Spezialisierung und andererseits zum „Aussterben“ solcher Fächer wie Allgemeinmedizin und Allgemeinchirurgie.
Diese sind jedoch für Krisenmanagement essentiell.
Wenn wir aber zum JIT kommen, dann werde ich hier einfach behaupten: je weniger zuverlässiger Lieferanten im Prozess installiert werden, desto effizienter wird der Prozess.
Grundstoffe für Medikamente aus China – Basta!!!
Konstanter und lückenloser Informationsaustausch erforderlich
Aus den oben genannten Gründen ist eine Beziehung zwischen dem internen Lieferanten und dem internen Kunden durch eine sehr hohe Abhängigkeit geprägt.
Ohne Information in Form von eingegangener Bestellungen, Verzögerungen, absehbaren Engpässen, Produktionsausfälle usw. kann kein JIT funktionieren. Eine genaue und gut abgestimmte Choreografie machen es möglich. Dafür müssen die Informationen getaktet und ungehindert fließen.
In den aktuellen Berichten wird es immer deutlicher, dass Corona-Problem eine tiefe Vertrauenskrise zwischen Europa und China widerspiegelt.
Über welchen lückenlosen Informationsaustausch können wir hier reden?
Abhängigkeit vom Auftraggeber und umgekehrt
Die internen Lieferanten müssen sich spezialisieren und auf ihren Auftraggeber konzentrieren. Der interne Kunde muss sich auf den internen Lieferanten verlassen können. Unter diesem Blickwinkel scheint es etwas seltsam zu sein, dass die Pharmaindustrie und Apothekerverbände seit langem genau diesen wunden Punkt ansprechen und konsequent überhört werden.
Wären diese Problem früher gelöst, hätte man als Führungsperson in der höchsten Etage nicht als erfolgreicher „Feuermann“ auftreten können.
„Wir sind da um Probleme zu lösen – nicht zu verhindern. Das wäre nicht so spektakulär“. Unter diesem Motto agiert, leider, oft die Politik.
Konventionalstrafen und Qualitätskontrolle notwendig
Eine störungsfreie Produktion ist nur möglich, wenn der Prozess-Input nicht nur rechtzeitig und in ausreichender Menge, sondern auch mit der entsprechenden Qualität geliefert wird. Aus diesem Grund sind solche Steuerungsmechanismen wie Strafzahlungen sowie die kontinuierliche und lückenlose Qualitätskontrolle unentbehrlich.
Wie so eine Kontrolle im Aspekt der Globalisierung erfolgen kann, scheint nicht so klar geregelt zu sein. China setzt die Produktion aus und Indien sperrt die Exporte.
Jeder ist plötzlich wieder für sich und das wird ohne spürbare Konsequenzen beleiben.
Diese feine Choreografie in den komplexen Prozessen ist so empfindlich, dass man offen über eine Krisenanfälligkeit von JIT-System spricht.
Und nun haben wir sie – diese befürchtete Krise.
Ist JIT an dem Ganzen Schuld?
Scheinbar ja, aber…
Gehen wir einen Schritt zurück
Kunde ist König. Bevor ein JIT implementiert wird, muss man sich Gedanken über die Kunden und Kundenanforderungen machen.
Das Gesundheitswesen an sich profitiert sicherlich von einem zuverlässigen Produzenten mit einem stabilen Produktions- und Preisniveau. Die Lager können reduziert werden, Prozesse fließen, Einnahmen sprudeln, die medizinische Versorgung bleibt bezahlbar.
Diesen Weg hat die Gesundheitspolitik in Deutschland eingeschlagen und erntet nun die gesäten Probleme.
Das Problem liegt doch woanders
In den Krisenzeiten kann man nicht auf die krisenanfällige Systeme wie JIT setzen. Im privaten Haushalt legt man immer etwas Geld auf die hohe Kannte um im Fall des Falles …
Hätte man neben der elektiven Versorgung an Krisenmanagement als einen zweiten Kunden gedacht, hätte man andere Konzepte wie Sicherheitsbestände, kleinere aber konstante heimische Produktion, Listen von versorgungskritischen Medikamente usw. umgesetzt.
Im Grunde genommen hätte man damit das das Hauptproblem der Corona-Hysterie gelöst – die Unsicherheit des modernen Menschens, der mehr einem Desinfektionsmittel und Mundschutz vertraut als seinem Verstand und gesunder Immunität.
Der letzte Satz kann provokativ klingeln. Ich bitte Sie aber noch mal zu reflektieren – Corona ist für ältere, vorerkrankte Patienten und Menschen mit Immunschwäche besonders gefährlich.
Wäre es nicht sinnvoll die knappen Ressourcen zuerst an diese zu verteilen?
Und ist es wirklich ein rationaler Akt die gleichen Patientengruppen sowie alle anderen zu gefährden indem die grundsätzlich heilbare Krankheiten durch z.B. fehlende Antibiotika noch mehr Komplikationen und Todesfälle fordern?
Unabhängig von der Farbe des Schwimmanzuges muss man schon selbst schwimmen lernen.